Ferien in Brasilien (31.12.2007-30.01.2008) - Impressionen und Rueckblick
Brasilien - seine Schaetze sind eher im verborgenen zu suchen. Es gibt sie zuhauf - meist eher auf den zweiten Blick erst erkennbar. Brasiliens Kuesten sind unendlich lang und jeder Strand hat seinen eigenen Charakter. Im Umkreis von einem Quadratkilometer finden sich verschiedene Buchten, jede Bucht mit ihrer Besonderheit und ihren speziellen Vorzuegen an Schoenheit. Die eine Bucht, fein rieseln die Wellen ueber die Sandkoerner, in diesem Bereich will man sich niederlassen und einfach in den Tag hineinleben. Anderweitig, nur wenige Minuten entfernt die zweite Bucht. Hier peitschen die meterhohen Wellen vom Ozean an den Strand. Idealste Bedingungen, um auf ein Surfbrett zu stehen und sich von den Wellen tragen zu lassen oder mit einem Kite in die See hinaus zu surfen.
Schaetze - Brasiliens Vegetation erscheint von oben eher einoedig. Alles ist irgendwie bucklig und mit Baeumen und Straeuchern ueberwachsen. Der Boden Brasiliens gibt dem Menschen alles. Sofern von Menschenhand gepflegt, hier waechst einfach alles. Geerntet werden koennen Bananen, Oliven, Mango und vieles, vieles mehr. Brasilien ist auch reich an Bodenschaetzen. Auf dem Markt erhaeltlich sind wunderschoehne in allen Farben glitzernde Steine.
Wer inhaltlich differenziertere Informationen ueber Brasilien erhalten moechte, dem kann ich das Buch "Kulturschock Brasilien" empfehlen. Was in diesem Buch nicht steht, werde ich hier gemaess meinen eigenen Erfahrungen beschreiben.
Ich ging mit der Absicht nach Brasilien, vier Wochen nichts zu tun. Mein Leben sollte darin bestehen im Hotel zu leben, am Morgen gut zu brunchen und anschliessend am Strand bei 40-ig Grad das Leben zu geniessen.
Sonnenbaden und Wasser - als Wasserratte wollte ich natuerlich Kiten und Surfen lernen. Da gab es aber auch schon das erste, recht grosse Problem, das ich bis Ferienende nicht loesen konnte. In Brasilien erhaeltlich ist alles. Tausend verschiedene Badehosen in allen Farben, Ohrenstoepsel in allen Variationen, Sonnencreme und Strandschlarpen bis zum Abwinken. Ich als Europaeer braeuchte aber vor allem einen Sonnenschutz, der mich vor der direkten Sonnenbestrahlung vollumfaenglich schuetzt. Hut mit Schulter und Armschutz oder so was in der Art. Nachdem ich zwei Tage vergeblich in unzaehligen Shops danach gesucht habe, war der erste Sonnenbrand nun leider schon da. Da ich die Hoffnung aufgegeben habe, einen wirksamen Sonnenschutz in Brasilien kaufen zu koennen, habe ich mir selber etwas zusammengeschustert. So stand ich da mit Brille und verdunkeltem Brillenaufsatz, Hut mit grossem Rand, einer Schultertanga, behelfsmaessig mit einer Nadel fixiert, die Schulter und Unterarme bedeckte. Nun konnte mir die Sonne nichts mehr anhaben. Sah zwar aus wie ein Oelscheich aus Marokko - doch ich fuehlte mich wohl dabei. Dieses Problem war also halbwegs geloest. Was aber unloesbar war, in Brasilien erhaeltlich sind definitiv keine Nasenklemmer. Im Wasser mache ich grundsaetzlich alle Kapriolen aber keine Kapriolen ohne Nasenklemmer. Weil ich mit moeglichst wenig Gepaeck unterwegs sein wollte, blieben meine Nasenklemmer in der Schweiz und ich musste auf vieles verzichten, das mir wirklich immens Spass gemacht haette, naehmlich unbeschwert Kiten und Surfen zu koennen. Nach den ersten Salzwassernasenspuehlungen hatte ich den Spass an der Sache meistens verloren, so konzentriert ich mich mehr auf Spaziergaenge und aufs Rumhaengen am Strand. Kiten ist im uebrigen nicht sehr verbreitet in Brasilien, bzw. 700 Kilometer rund um Rio herum. Gerade mal eine Schule fand ich - in Sachen Sicherheit hat sie mich nicht wirklich ueberzeugen koennen.
Internet - mit Alexandre und Isabel haben wir eine Woche in Buzius verbracht. Nachdem wir im Hotel neue Regeln in Sachen Brunchen im Outdoorbereich eingefuehrt hatten, muss ich sagen, das Hotel mit dem Swimming Pool war absolut Spitzenklasse. Alexander hatte Glueck, das einzige Zimmer erwischt zu haben, in dem es Wireless gab. Nicht das kostenpflichtige Hotel WLAN - nein, ich spreche hier eher von einem kostenlosen Internetzugang. Wer Alexandre kennt weiss, wie immens wichtig so was ist. Von Buzius gings weiter Richtung Victory und andere Orte. Dank Alexes Beziehungen sind wir immer irgendwo untergekommen und kamen so direkt mit den "Einheimischen" ins Gespraech. Unter Einheimisch meine ich eher ein Familienmitglied aus der Hill-Maestrini Dynastie.
Bauen - wiederum ein spannendes Kapitel startete ca. in der dritten Ferienwoche. Alexandre und ich verbrachten einige Tage bei den Eltern von Alexandre. Unsere Aktivitaet bestand darin, das Land von Alexandre neu zu "vermessen" und sein Grundstueck mit einem Strassenzugang zu versehen. Geplant getan, am naechsten Tag ist der Bagger aufgefahren und die Strasse wurde ruckzug den Berghang hinaufgezogen. Zwei Tage spaeter war die Strasse fertig. So geht das in Brasilien - von der Idee, zur Planung und anschliessender Umsetzung.
Die letzte Woche ist angebrochen, es war an der Zeit, dass mich Alexandre in die Selbststaendigkeit entliess. Eine ganze Woche brauchte ich, bis ich den Mut aufbringen konnte, auf den Strassen von Brasilien hinter ein Steuerrad eines Autos zu sitzen. Und nun stand ich da, Alexandre abgereist zurueck in die Schweiz, ich alleine in einem Hotel, konnte weder die Sprache, noch konnte ich mich mit Englisch, Deutsch oder Franzoesisch mit den Einheimischen verstaendigen. Am ersten Tag, alleine in Rio, ging ich mit einem Kollegen von Alexandre auf Shopping Tour. Wir hatten ein Ziel, der Kollege benoetigte bei sich Zuhause ein neues Komputernetzwerk - nichts wie los, wir gingen einkaufen, und wie. Da gab es so was wie ein MediaMarkt. Der MediaMarkt bietet eine grosse Produktpalette an, aus der man meist das findet, was man sucht. In diesem grossen SuperStore gab es hunderte von kleinen Elektro Ramsch Laeden. In jedem Laden findet man auch immer das gleiche Produkt. Ist sehr hilfreich beim Preisvergleich. Das Shoppen besteht dann naehmlich nur noch darin, bei allen Laeden nach dem Preis zu fragen und schlussendlich beim guenstigsten Anbieter das Elektroteil zu kaufen. Die Schwierigkeit dabei, in welchem Ramschladen wurde nun schon wieder der guenstigste Preis angeboten und wo war der Standort von diesem Laden?
Shopping - nach dieser Shopping Tour mit dem Kollegen der englisch sprach habe ich mich entschlossen, definitiv eigenstaendig mich ein paar Tage in Rio bewegen zu wollen. Das war auch gut so. Denn wie komme ich von meinem Hotel nach DownTown? U-Bahn in Rio, es soll ein Netz geben - gesehen habe ich noch nie eine. Metro, fragte ich ueberall auf der Strasse - die Richtung scheint zu stimmen. Und tatsaechlich, irgendwo gings in den Untergrund. Die Infrastruktur empfand ich persoenlich als ueberaus angenehm und alles sah ziemlich neu aus. In Rio gibt es einfach nichts, das alt ist. Nach einer Weile bin ich aus dem Untergrund wieder aufgetaucht mitten in der Stadt Rio. Den hoechsten Punkt praegte ich mir ein, falls ich mich verlaufen sollte, finde ich stets dorthin zurueck. Besuchen wollte ich heute "liddle Schweiz". Das ist ein Quartier in Rio, umgeben von Favelas, erschlossen war das Quartier mit einem Ur-Alt Tram, alt - die grosse Ausnahme in Brasilien. Liddle Schweiz, der Name kommt daher, weil dort u.a. viele Schweizer wohnen und das Tram auch ein wenig an die Schweizer Infrastruktur erinnern mag. Ein Tram fuer eine Zweiklassengesellschaft wie Rio - das geht und wie. Die Menschen, die Geld besitzen, stehen in der Warteschlange, loesen ein Tramticket und steigen bei der ersten Tramstation ein. Die Leute ohne Geld stehen bei der zweiten Tramstation und springen aufs fahrende Tram auf. Und so kommt man in Rio an eine Gratistramfahrt. Der Kontrolleur beobachtet das ganze Spiel, irgendwie toleriert er es. Obschon es nicht ungefaehrlich ist, haengend an einem Tram ueber irgendwelche Viadukte zu schweben.
Tag zwei, ohne fremde Hilfe in einer Millionenstadt - irgendwann musste ich was zwischen die Kiemen kriegen. Bis jetzt bekam ich vieles "vorgekaut", konnte absitzen und einfach etwas essen, das mehr oder weniger gesund und nicht gesundheitsgefaehrdend sein konnte. Ich vertraute hier voll auf das Bauchgefuehl meiner Mitreisenden. Nur wo essen an der Kueste von Copacabana in Rio. Die Karte im Restaurant kann ich nicht lesen, eine Uebersetzung in Englisch fehlt. Macht daher nicht gross Sinn, das Beste aus dem "Portfolio" der Restaurants herauspicken zu wollen und am richtigen Ort abzusitzen. Erster Schritt, einen Ort suchen, an dem sich mehrere gut gekleidete Leute aufhalten, ein solches Restaurant muss einfach gut sein. Jetzt hoffe ich, dass der Kellner ein paar Bruchstuecke Englisch versteht, sonst bin ich aufgeschmissen. Fragt mich nicht wie, irgendwie habe ichs geschafft. Ein Teller Reis mit etwas, das wie Fisch aussieht. Und schmeckt auch nicht schlecht. Endlich - aufatmen, Zeit sich etwas umzuschauen. Wo bin ich ueberhaupt? Auffaellig viele junge Frauen fallen mir auf - und wie sie stets den Blickkontakt mit mir suchen. Ich schaetze sie auf 16 Jahre, ein Maedchen steht auf und sitzt provokativ an den Tisch, der an meinen Tisch grenzt und erzaehlt etwas auf portugiesisch. Etwas verlegen stammle ich "..I can only speek englisch" - "..ah, you speek englisch?" und obwohl ich mich eigentlich auf kein Gespraech einlassen will, laesst sie nicht locker - sie bringt mich dazu, dass ich einfach mit ihr sprechen muss. Sie war 24-ig, gemaess ihren Angaben, hat drei Grossmuetter durchzufuettern und geht dem einschlaegigen Geschaeft der Prostitution hier in Rio nach. Obwohl gesetzlich verboten (forbitten by law), merke ich spaeter, dass jede Frau 24-ig Jahre alt ist und in diesem Quartier dieser "Beschaeftigung" nachgeht, um den Lebensunterhalt finanzieren zu koennen. Die Hintergruende sind unterschiedlich, bei dem einen Maedchen sind es die drei Grossmuettern, andere finanzieren sich so ihre Ausbildung oder die Arztkosten oder schlichtweg finanzieren sie sich so ihre Lebenshaltungskosten wie wohnen, essen, Kleider etc. Zu all diesen Informationen bin ich gekommen, immer zu den Zeiten, als mich der Hunger plagte. Mit der Zeit fand ich es sogar spannend, all diese Geschichten zu hoeren und ich habe versucht, mich stets in die Situation der Maedchen und jungen Frauen hineinzudenken. Fand sogar die Zeit, eine schriftliche Analyse zu erstellen. Ich stellte mir die Frage, welche Funktion in diesem "Spiel" z.B. die Waiters dabei haben. Sind sie eine Art Zuhaelter oder so was in der Art. Haben die Maedchen ueberhaupt Zuhaelter oder arbeiten sie als Selbststaendig Erwerbende? Und Weshalb stehen Getraenke auf meiner Rechnung, die ich gar nicht getrunken habe. Den Fehlbetrag der Rechnung auch ohne Einwand sofort vom Servierpersonal korrigiert worden ist. Es gab Zeiten, da habe ich mich auf "ihr Spiel" eingelassen und 20-ig Rieas fuer ihre Getraenke springen lassen, denn die armen Maedchen koennen im Restaurant immer etwas bestellen, obschon sie kein Geld haben. Wie geht das? Haben die Maedchen beim Chef des Restaurantbetreibers so was wie einen Kredit, den sie bis zu einer gewissen Grenze ausnutzen koennen? Kommen sie zu stark in die roten Zahlen, findet sich immer eine Loesung dazu. Nach Brasiu Art, alles ist loesbar.
Die letzten Tage in Rio. Ab Mitternacht faengt der Puls in Copacabana an zu pulsieren. Es gibt Bars, Lokale und Orte - ueberall Musik und tanzende Maedchen. Zwischen 00:00 bis 02:00 Uhr, egal wo du absitzt und dein Bier trinkst, wird dir eine tanzende Show geboten. Ab 02:00 Uhr wird die Show professionalisiert, koordiniert und im Hintergrund laeuft eine Art Choreographie ab. Ich empfinde diese Art von Show hart an der Grenze des Zumutbaren. Fuer mich geht es eigentlich schon in Pornographie ueber. Fuer Brasilianer gilt hier ein anderweitiges Verstaendnis zur Thematik Sexualitaet. Ich kann es bis heute irgendwie nicht kategorisieren. Wenn Maedchen auf den Strassen bei Tanz und Brasilmusik ihre Huellen fallen lassen - wird das irgendwie toleriert. Obschon, ich muss sagen, auf den Strassen selber ist nie ein Maedchen ganz nackt. Irgend eine Schnur oder ein Fetzen Stoff bedecken stets spaehrlich gewisse Zonen. Und das muss so sein. Eine Frau oben ohne gibt es nicht in Brasilien. Absolut ein Tabu. Wie es sich auch nicht geziemt, sich am Strand umzuziehen. Ein nasses Bikini darf auf keinen Fall gewechselt werden. Das waere eine Scheidungsgrund fuer einen Brasilianer. Obschon all diese Maedchen der brutalen Gewalt der Strasse ausgesetzt sind, nirgends habe ich Anlaufstellen erkennen koennen, eine Art Schutzzone, wo sie z.B. gratis an Pariser haetten kommen koennen oder eine Sozialarbeiterin, die als Ansprechperson fuer sie da sein koennte. Alles Informationen aus Gespraechen mit den Maedchen, die im uebrigen viel sprachbegabter sind, als die andern Brasilianer Landsgenossinnen. Ihr Wortschatz ist ein Level hoeher. Der normale Brasiu Mensch versteht das Wort "Burger", "Fish-Burger" - diese Kombination wird nicht mehr verstanden ausser eben von den Prostituierten, die dank ihres Berufes und der direkten Abhaengigkeit zu Einkommen Wohlstand ihresgleichen mehr darauf acht geben, fremde Sprachen, vordergruendig natuerlich Englisch und Deutsch zu verstehen.
Abreise - die freundlichen Gesichter der brasilianischen Maenner vermisse ich heute schon. Mein erster Eindruck, als ich hier in Zuerich gelandet bin. In ein Brasiu Gesicht zu schauen, hier strahlt Energie und Lebensfreude und dies gleichermassen eigentlich fast bei allen Maennern. Ein Schweizer, der Durchschnittsschweizer ist wohl eher ernst, streng, geradlinig, konsequent - diese Art widerspiegelt sich in einem Gesicht eines Schweizers.
Rueckflug - gut geplant ist halb geflogen.
21:00 (9:30) Rio Abflug
12:15 (2:45) Lissabon Abflug
16:30 (1:15) Zuerich Zug Abfahrt
Kulturschock Schweiz - den werde ich die naechsten Tage erleben. Und trotzdem ist es schoen wieder zuhause zu sein.
Geld - 4 Wochen Brasilferien haben mich ca. CHF 6'500.- gekostet (Jahr 2008)
CHF 1636.00 Flugticket (TAP) inkl. aller Taxen und Versicherungen
CHF 1700.00 Bargeld in Dollar (gem. Bankempfehlung)
CHF 170.00 Bargeld in Euro
CHF 200.00 Bargeld in CHF
CHF 1980.00 in Checks
CHF 770.00 Kartenbezuege
Nimmt man Dollar oder Euro in Bar mit, wird zwei Mal Kommission verrechnet. Im nachhinein wuerde ich meinen ist es besser, brasilianisches Geld (Reais) direkt an einem Automaten der Banco do Brasil zu beziehen. Pro Bezug werden zwar CHF 5.00 berechnet - faellt aber nicht ins Gewicht.
Rechenbeispiel - fuer CHF 1000.00 erhalte ich soviel Reais.
CHF 1000.00 --> 1552.00 Reais bei Bargeldbezug in Brasilien
CHF 1000.00 --> 1477.00 Reais, nimmt man Dollar als Bargeld mit nach Brasilien und wechselt dort in Reais. Die Differenz ist klar ersichtlich.
Link
Buch Kulturschock Brasilien -> www.amazon.de
Bilderlink -> clipart.designo.ch/reisen/brasil01/index.htm
Kite -> Hotel: Pousada Marlim Azul (www.pousadamarlimazul.com.br, +55 27 3272-1388) Kite-School: Nelsinho (carlos_nelson at terra.com.br, +55 27 3224-0456)
Fazit - musst Du erlebt haben.
Autor - Stefan Rovetto